Das Bergamont Trailster 10.0 im Dauertest – unsere Erfahrungen aus vier Monaten ausgiebigem Test

Vor vielen Jahren, als Downhill und Freeriden aufkamen, gab es bei einem Bikehersteller genau zwei verschieden Bikes, zwischen denen man wählen konnte. Entweder man entschied sich für eine Tourenbike oder für ein Rad mit viel Federweg, das bergauf kaum noch zu fahren war. Also entweder CC oder Freeride. Im Laufe der Jahre wurden immer mehr Kategorien entwickelt, um bei den Bikern alle Vorlieben abdecken zu können. Vom All Mountain bis hin zum Fat Bike. Inzwischen sind die Abstufungen auf der Federwegsseite zentimeterweise. Eigentlich kann man alles kaufen zwischen 80mm und 200mm. In genau so eine weitere Nische passt auch das Bergamont Trailster 10.0, welches wir ausgiebig testen durften. 150mm Federweg machen es zum All Mountain Plus oder Enduro Light. Je nachdem von welcher Seite man es betrachtet.

Das schöne Trailster, das meiner Meinung nach in echt weitaus besser aussieht, als man es im Internet erahnen kann, spricht mit seinem Namen eigentlich schon sein Einsatzgebiet aus. Es handelt sich mit 150mm Federweg (vorne und hinten) um ein modernes Trailbike mit 27,5 Zoll Laufrädern, das genau den Platz zwischen normalem Enduro und All Mountain einimmt. Die Version 10.0 wird mit einem extrem steifen Carbonrahmen ausgeliefert und besitzt eine mehr als ordentliche Ausstattung, für die aufgerufenen 4.000€ bekommt man also ein Bike, dass nahezu perfekt ist. Dazu aber später mehr.

Der erste Blick und die Erleichterung

Als das Bergamont bei mir ankam und ich es ausgepackt hatte, war ich doch überrascht. Es sah weitaus besser aus, als man es auf den Bildern im Internet hätte vermuten können. Der Rahmen sieht in der giftigen gelben Lackierung sehr hochwertig aus und man sieht auf den ersten Blick, dass sich die Schöpfer des Geräts auch Gedanken um Details gemacht haben. So fällt gleich ins Auge, dass die Züge am Lenker mit einer Art Plastikführung zusammengehalten werden und so ein sehr aufgeräumtes Cockpit geschaffen wurde. Des Weiteren fällt einem bei dem Blick auf das Bike die wunderschöne Rotor-Kurbel auf, die so technisch-maschinenbau-mäßig daherkommt, dass man als technikaffiner Kerl gleich verliebt ist. Auch die das riesige Ritzel mit 46 Zähnen fällt sofort ins Auge, dass man an keinem Berg eine zweifach Übersetzung oder die SRAM Eagle vermissen wird.

Für Daten-Affine

Rahmen: High Modulus Carbon Rahmen, Federweg 150 mm

Gabel: Fox 34 Float Performance, 27.5, tapered, 150 mm, 3-position micro adjust, 15 mm Achse

Dämpfer: Fox Float DPS Performance Elite Series, 200×57 mm

Schaltung: Shimano Deore XT, RD-M8000, GS, Shadow Plus

Schalthebel: Shimano Deore XT, SL-M8000, 1×11-speed

Ritzel: Shimano Deore XT, CS-M8000, 11-speed, 11-46t

Kurbel: Rotor Rex 4.1, 32t

Lager: Rotor BB92

Bremsen: Shimano Deore XT, 180/180 mm

Laufräder: Sun Ringlé Charger Expert AL Wheelset

Reifen: Maxxis Forekaster,  27.5×2.35

Steuersatz: Cane Creek 40/15 series

Lenker: Answer Pro Taper 750 AM

Vorbau: Answer AME

Sattel: SDG Falcon RL

Sattelstütze: Manitou Jack, dropper post, 31.6 mm, length: 400 mm, 125 mm

Gewicht: 12,5 kg

 

Geometrie:

 

In Action

Das Wichtigste bei einem Bike ist, dass es sich gut fährt und zwar genau so wie man es erwartet. Eine 80mm CC-Maschine muss spritzig den Berg hinauf gehen und ein 200mm Downhiller agil und schnell den Berg hinunter. Doch was muss ein All-Mountain-Plus, oder Light-Enduro bzw. Trail-Bike können, wenn man sich nicht einmal bei den Begriffen einig ist.

Das Trailster liegt, wie oben erwähnt, zwischen Enduro und All-Mountain und damit sind die Erwartungen für mich zumindest recht leicht abgesteckt: Bergauf besser als ein Enduro und Bergab besser als ein All-Mountain. Kann es das erfüllen?

Hier gibt es von mir ein ganz klares: JA!

Der steife Carbonrahmen mit seinem Mehrgelenker-Hinterbau überträgt jeden Tretimpuls direkt auf die Straße. Ich bin tatsächlich bisher noch kein Bike mit soviel Federweg gefahren, das so gut bergauf geht wie das Trailster 10.0. Hier vergisst man die 150mm Federweg und man kann, dank der echten, kompletten Blockierung, die ich in so einer Konsequenz übrigens seit meinem 2002er Rocky Mountain Element nicht mehr gesehen habe, auch im Wiegetritt wippfrei den Berg hochstürmen. Die rollwiderstandsarmen und leichten Maxxis Forecaster-Reifen unterstützen dieses Feeling auch noch. Alles in Allem muss man sich mit dem Bike auch vor 3.000 Höhenmetern auf einem Alpencross oder ähnlichem nicht fürchten. Leiden deswegen die Bergabeigenschaften? Ein wenig, dazu aber gleich mehr.

Auf dem Trail und in engen serpentinenreichen Geläufen spielt das Bike eine weitere Trumpfkarte aus: Es ist sehr verspielt. Mit dem relativ klein ausfallenden L-Rahmen kann man das Bike so schnell hin und herkippen und in jede Richtung ziehen, dass eine Achterbahnfahrt lächerlich wirken muss. Präszise und schnell kann man durch schnelle Kurven, Anlieger und Kehren rauschen. Hier gibt´s eher Vorteile gegenüber einem Enduro, da das Fahrwerk schon einiges straffer ist. In harten und schnellen Downhills merkt man dann allerdings, dass die Geometrie natürlich nicht ganz so aggressiv ist wie bei einem vollwertigen 160er Bike. Aber das soll sie auch nicht. Laufruhig bleibt das Bike trotzdem und büßt hauptsächlich in schnellen Kurven wegen des fehlenden Grip´s der Reifen ein, die etwas schwachbrüstig sind. Hier könnte man noch viel mehr rausholen, wenn man einen Enduro-Reifen montieren würde; Beispielsweise ein Magic Mary würde hier noch 10 Prozent rauskitzeln. Ansonsten kommt das Bike nahe an die Downhill-Eigenschaften eines Enduros heran. Vorsicht sollte man bei der ersten Ausfahrt bei Kickern oder Tables walten lassen, da durch die leichten 13 Kilo (in Größe L) das Bike dermaßen abschießt, dass manleicht erschrecken kann.

Technik

Für die aufgerufenen 3.999 Euro bekommt man ein top Bike, welches man mit wenig Aufwand aber noch verbessern könnte. Eine Sache ist die soeben beschriebene Reifenproblematik, die andere wirklich störende ist die zu gering ausfahrende Sattelstütze. Die Manitou Stütze funktioniert zwar ebensogut wie beispielsweise eine Reverb, auch wenn der Hebel etwas unergonomisch ist, allerdings sind die 125mm Verstellbereich bei dem klein ausfallenden Rahmen zu wenig. Da ich die Stütze zur korrekten Einstellung etwa 5cm ausfahren muss, reichen die 125mm in eingefahrenen Zustand bei sehr steilen Abfahrten oder Sprüngen nicht aus. Eine 150mm Variante würde hier einiges verbessern.

Toll finde ich dagegen die Shimano-XT-Schaltung, die auch in Zeiten von SRAM Eagle-Schaltungen mit ihren elf Gängen vollkommen ausreicht, auch wegen des riesigen 46er Ritzels, das auch steile Tretpassagen fahrbar macht. Die Abstufung zwischen den Gängen reicht hier vollkommen aus. Auch bei der schönen Rotor-Kurbel konnte ich nichts Negatives feststellen, da sie steif und leicht genug ist, um unauffällig ihre Dienste zu tun. So lange, bis es ruppig bergab geht. Dann nämlich kann es sein, dass die Kette abspringt. Hier fehlt meiner Meinung nach eine Kettenführung.

Die Federgabel und den Dämpfer bin ich mit 25 und 30 Prozent SAG gefahren und konnte nahezu den gesamten Federweg ausnutzen. Nur bei der Gabel hatte man das Gefühl, dass man die letzten 20mm Federweg nie rauskitzeln kann. Hier merkt man schon, dass die Performance Federelmente von Fox nicht mit der Factory Serie mithalten können. Sie federn generell ruppiger, mit weniger Komfort und vor allem mit schlechterem Ansprechverhalten. Aber man muss sich auch bewusst sein, dass ein Factory Fahrwerk in dieser Preisklasse, vor allem mit einem Carbon-Rahmen, nicht realisierbar wäre. Aber vielleicht würde hier eine Lyrik oder eine 350er besser passen?

Wer sich nun das Trailster von Bergamont besorgen will um es für Touren in Mittelgebirgen oder im hügeligen Voralpenland zu nutzen, der hat nun genügend Informationen, um das zu tun. Wer allerdings auch öfter in die Alpen will und längere Abfahrten vor hat, der solle sich zumindest eine 200er Bremsscheibe besorgen, denn Fading ist der Shimano XT, die ansonsten übrigens eine hervorragende Bremspower hat, nicht fremd.