Die Ideen zu großen Biketouren kommen meist im Winter. Man sitzt bei Nebel und eisigen Temperaturen und dem ein oder anderen Bierchen mit den Kumpels zusammen und schwärmt von Touren und Abenteuern, die noch erlebt werden müssen. So war es letzten Winter und so wird es auch dieses Jahr sein. Für den Sommer 2016 kam eine Freeride-Trail-Runde in den Dolomiten heraus, die ich nur jedem weiterempfehlen kann, der geniale Trails in atemberaubender Landschaft genießen will. Aber ganz von Anfang.
Dienstag Abend, 23.41, der Schlummertrunk aus dem silbrigen Flachmann kreist durch unsere siebener Männerrunde. Die letzten Eckpunkte werden noch besprochen, bevor es an der örtlichen Seilbahn am nächsten Tag losgehen sollte. Ausgesucht haben wir uns eine viertägige Rundtour mit Seilbahnunterstützung durch die schönsten Ecken der Dolomiten, die uns jeden Tag im Schnitt 1000 zusätzliche Höhenmeter zu den 1000 selbst zu strampelnden bringen sollte.
Los geht´s also bei feinstem Wetter in St. Kassian an der Gondelstation zum Piz de Surega. Oben angekommen hat man gleich zwei Highlights im Blick, die Sella-Gruppe und die 3343m hohe Marmolada, der wir uns noch nähern werden. Auf breiten Wanderwegen geht es nun in einem Auf und Ab in Richtung Arrabba (Weg 21A, 23, 24, 3a) bis zum Rifugio Cherz. Von dort aus geht´s über einen schwer findbaren Wiesenweg (22, man sieht nur eine minimale Spur im Gras) zu einer genialen Abfahrt die uns direkt zur nächsten Gondel in Arrabba führt. Viele Spitzkehren, ein paar Steilpassagen und viele flowige Abschnitte markieren hier unseren ersten Höhepunkt. In Arrabba geht´s dann wieder mit der Bahn auf die Porta Vescovo, die uns mit dem tollen Panorama auf die Marmolada emfängt. Zuerst geht´s aber über den Sentiero 680 bis zum Passo Pordoi. Dieser Weg ist zwar unspektakulär, aber die schönere Alternative, als die Straße hochzutreten. Wer sichs richtig geben will, der kann natürlich die sausteilen Rampen zur Porta Vescovo auch selbst unter seine Räder nehmen und die Tour um 900 Höhenmeter erweitern. Am Passo Pordoi erwartet uns dann schon wieder das nächste schöne Panorama mit Blick auf den legendären Piz Boe, für den wir allerdings nur kurz Zeit haben, denn die Tour führt uns weiter über den Bindelweg zur Bindelweghütte, direkt gegenüber der Marmolada. Hier sollte man übernachten, da es sich um eine äußerst schöne Hütte handelt und der Ausblick atemberaubend ist. Tag 1: 25km, etwa 900 HM (selbstgetreten) und 1300TM.
Am nächsten Morgen starten wir früh, da uns knapp 45KM und vor allem 1500 HM bzw 2800 TM erwarten. Mit der Marmolada im Blick rollen wir den Bindelweg entlang, der nur so zum cruisen einlädt und uns wieder zur Porta Vescovo bringt. Von dort nehmen wir den Sentiero 680 in Richtung des Passo Padon. Dieser Trail schreit nur so nach Geschwindikeit und schlängelt sich in leichtem Gefälle an der Höhenlinie entlang. Sandiger Boden, kleine Sprünge und schöne Kurven in atemberaubenden Panorama. Mehr geht nicht! Vom Passo Padon geht’s dann auf dem 636 bis zur Creppe Rosse, wo wir auf den 635 abzweigen. Genußvoll sammeln wir hier 600 Tiefenmeter auf einem teils schweren Trail bis nach Ruschei und weiter nach Le Coste. Immer wieder gibt es hier spaßige Trails, die von der Straße immer mal wieder abzweigen (Sentiero 636 nach dem Rifugio Migon). Einen halben Tag sind wir schon unterwegs, bevor wir in Caprile ankommen und die 1000 Höhenmeter Auffahrt über die Straße nach Pescul und über die Skipiste zum Col dei Viai bzw, dem Riugio Belvedere in Angriff nehmen. Oben angekommen sind die Schiebestrapazen vergessen, wenn man auf die mächtige Civetta blickt. Königlich steht dieser Berg über Alleghe.
Mit diesem Panorama starten wir in 1100 Tiefenmeter Trail am Stück. Ein Trail der mit zum Besten gehört was ich je in den Alpen gefahren bin, nicht zu schwer, aber doch hin und wieder herausfordernd und im unterem Teil extrem flowig (566 bis Col, dann noch mehrere Abkürzer an der Straße, also aufpassen beim hinabrollen auf Teer!). Mit einem riesigen Grinsen kommen wir bei unserem Sporthotel direkt am Wasser des Alleghe-Sees an und genießen die Gastfreundschaft. Wir bekommen dank der netten Bedienung den Gerstensaft sogar direkt in die Sauna geliefert, (Nachsaison, Zimmer für 38 Euro und sehr gutes Abendmenü für 20 Euro).
Gestärkt und erholt geht es am dritten Tag zur Gondel in Alleghe, die uns zum Col die Baldi bringt (jede Gondelfahrt auf der Tour liegt übrigens zwischen 7 und 12 Euro). Von dort aus pedalieren wir über den 561 und 568 über den Passo Staulanza und über den sentiero 467 am Rifugio Citta di Fiume vorbei bis zum Ambrizola Pass (Dolomitenhöhenweg). Hier gibt es eine halbstündige Schiebpassage durch einige Steinfelder, die aber, wie kann es anders sein, wegen der schönen Aussicht und der Abfahrt zum Rifugio Palmieri bald vergessen ist. Dort sollte man sich mit allerlei italienischen Leckereien stärken, bevor ein wahrer Trailrausch beginnt. Auf dem 431 geht’s bis nach Cortina D´Ampezzo. Ein nicht zu enden scheinender Trail, der von flowig bis kniffelig alles zu bieten hat, was das Bikerherz begehrt.
Die legendäre Civetta
In Cortina geht´s gleich mal wieder in die Gondel zum Rifugio Faloria, schließlich wollen wir noch einen Trail unter die Räder nehmen, ehe wir zu Unterkunft radeln. Der 212 schlängelt sich in Achterbahnmanier bis zum Ristoro Rio Gere, wo wir den letzten Lift (Achtung, nur bis halb 5!) zum Rif. Son Forca am Fuße des traumhaften Monte Cristallo erreichen. Hier sollte man die Nacht verbringen, denn neben einem schönen Ausblick tischt der Familienbetrieb in italienischer Manier leckere Spezialitäten auf (Tag 3: 2000 TM, 900HM, 30KM).
Das Industriedenkmal ‚Seilbahn Monte Cristallo‘
Leider gehen solche Touren viel zu schnell zu Ende und so starten wir in den vierten und letzten Tag, der uns über eine ewige, aber unspekatkuläre Abfahrt (Sentiero 203) bis Peutelstein bringt. Hier folgen wir dem Radweg der alten Bahnlinie, die uns ins Gran Fanes Tal führt. Dort startet unser letzter Anstieg über 900 HM. Steile Rampen erschweren die Auffahrt zur Fanes Hütte, ehe es über eine kurze aber schöne Abfahrt (Nach der Fanes-Hütte Nr. 11 Richtung Capanna Alpina) zurück in die Zivilisation nach St. Kassian geht (Tag 4: 40KM, 1000HM und 1700TM).
im Fanestal
Damit geht für uns eine Tour zu Ende, die man wohl als wahre Genußtour für Enduristen bezeichnen kann. Trails, Trails, Trails und eine Landschaft, die einem staunen lässt. Bis auf das Gewitter und das abgerissene XTR-Schaltwerk auf den letzten 5 Kilometern ist auf der Tour wirklich alles perfekt gewesen! Ein Dank auch an die super Truppe!
Was uns wohl nächstes Jahr erwarten wird? Die nebligen November-Abende werden es zeigen.