Ein ganzes Tal liegt vor uns, unberührt, überzuckert mit 30cm kaltem, lockerem Pulverschnee und wir sind die ersten, die nun die Spuren hineinlegen dürfen. Der Schnee staubt und ich schwebe auf einem Kissen aus Eiskristallen die Hänge hinab – „Endless Powder“ würde der Ami hier sagen. Es gibt einfach nichts Besseres, als nahezu endlose Hänge hinabzuschwingen, mehr wünscht sich ein Freetourer nicht.
Dieses Endless-Powder-Feeling hat uns zu der Idee unseres Skirides gebracht – einem Neologismus, bestehend aus Ski und Ride, also der Verbindung aus selbst erkämpften Höhenmetern und Nutzung von Liftanlagen bzw. anderen Verkehrsmitteln zur Vermehrung von Tiefenmetern. Uns gingen mehrere Varianten in den Alpen durch den Kopf, die vielleicht in zukünftigen Touren noch vorkommen werden. Die Saat gesät hatte der Leo bei unserer Führung durch das Stubaier Gletscher Skigebiet (hier der link) letztes Jahr. „Dort von der Scharte kann man ins Ötztal abfahren“. Ach ja, sieh an! Der Plan war geboren und sollte uns vom Stubaier Gletschergebiet bis Kühtai führen, um von dort mit Hilfe eines Shuttles die Tour über Axamer Lizum und wieder zurück ins Stubaital abschließen zu können. So weit so gut. Fünf Tourentage sollten es werden, wofür wir uns gut 9 Tage frei gehalten haben, um je nach Wetter die Tour durchführen zu können.
Der gute Wetterbericht und die Ernüchterung
Für unseren geplanten Starttermin am 12. März, sagten die üblichen Wetterseiten Nebel im Tal bis etwa 1.500m und darüber strahlenden Sonnenschein mit einem Schönwetterfenster von 3-4 Tagen voraus. Dem Start stand also nichts im Wege. Fast nichts. Denn der Anruf auf der ersten Berghütte, die man vom Stubaier Gletschergebiet aus erreichen wollte, hatte sogar schon den Notraum vergeben. Mist. Also doch später losgehen? Die Wetteraussichten schienen aber Mitte der Woche schlechter zu werden. Also Umplanung! Nach vielen Varianten kamen wir zu dem Schluss, einfach den letzten Tag vorzuziehen und noch einmal im Stubaital zu übernachten. Gesagt, getan. Los gings also am Samstag mit dem Auto nach Axamer Lizum, wo dieses stehen blieb. Mit der Zahnradbahn gings zum Hoidl, dem höchsten Punkt im Skigebiet, von wo aus eine 40 Grad steile Abfahrt auf uns wartete, bevor es übers Seejöchl ins Schlick 2000er Skigebiet und somit ins Stubaital gehen sollte.
Soweit der Plan. Am Hoadl angekommen folgte die Ernüchterung: Nebel – Sicht keine 5m. Also ab in die Rinne, in der wir nur Bruchharsch vorfanden und zwar die nette Art, die genau so lange hält, bis man versucht, den ersten Schwung zu setzen. Mit unseren 15 Kilo am Rücken und der tollen Sicht war es also ein furchtbarer Hang. Für 600 Tiefenmeter brauchten wir fast 2 Stunden. Der Zeitplan war natürlich komplett zerstört und der Sinn, den Übergang zu machen, war für uns nicht mehr ersichtlich. Schnell war ein neuer Plan gezimmert, der uns zurück nach Kematen und mit der Bahn über Innsbruck nach Fulpmes bringen sollte.
Der zweite Tag und wieder der gute Wetterbericht
Das Wetter war genauso gut und falsch wie am ersten Tag. Der Tag ist deswegen schnell erzählt: Mit dem Bus zum Stubaier Gletscher, dort immer noch Nebel. Übergang über den Hinteren Daunkopf zur Amberger Hütte bei null Sicht nicht machbar, also haben wir spontan noch eine Übernachtung in der Dresdner Hütte mitten im Skigebiet eingeschoben und die Erkenntnis gewonnen, sich nicht mehr auf die Vorhersagen verlassen zu können. Die Tour stand auf der Kippe. Noch so ein Tag und wir können die Heimreise unverrichteter Dinge antreten.
Der dritte Tag und wie sollte es anders sein, der Wetterbericht
„Um Himmels Willen, ich seh den blauen Himmel.“ Der Wetterbericht stimmte endlich, der Nebel war weg. Die Lawinenlage hatte sich über Nacht auch verbessert, ein 1er bis 2.400m, darüber ein 2er. Ideal! Vor lauter Vorfreude sind wir die ersten an der Gondel, die uns zum Daunjochlift bringen soll, wo der kurze Aufstieg über 300Hm zum Hinteren Daunkopf beginnt. Zuerst jedoch gibts noch eine Abfahrt über die frisch präparierte Piste, da unserer Lift zum Daunjoch noch gar nicht offen hatte. Dann der kurze, aber knackige Aufstieg auf 3.225m Höhe, zuerst mit Tourenski, dann mit den Skistiefeln durch felsdurchsetztes Gelände. Auf dem Hinteren Daunkopf angekommen gibt es das erste Highlight der Tour, ein unfassbar schönes Panorama liegt uns zu Füßen. Man blickt ins Flachland hinaus, über den Habicht bis hin zum Wilden Kaiser, Großvenediger und Großglockner. Nur schwer können wir uns von diesem atemberaubenden Blick losreißen, doch die 1.000 Höhenmeter Abfahrt, die bis zur Amberger Hütte vor uns liegt, hilft uns dann doch loszulassen.
Geniale Tiefschneeabfahrt und unfassbares Glück
Vom Gipfel aus geht es durch ein paar Steinfelder auf die letzten Reste eines Gletschers in die nördliche Rinne des hinteren Daunkopfes. Hier finden wir feinsten Pulverschnee und schöne Hänge mit moderater 25-30 grädiger Neigung. Schwung um Schwung vernichten wir genussvoll die ersten 500 HM, ehe wir nach einem Linksknick auf der linken Seite einen Hang queren, der uns eine unberührte nördliche Tiefschneebowl bringt.
Auch hier ist der Hang nur etwa 30 Grad steil, bei einer Lawinengefahrenstufe 2 also leicht machbar. Dachten wir. Als wir alle am Ende dieser Schüssel angekommen waren und über die wunderbaren Hänge philosophierten, passierte es. Der gesamte Hang, den wir wenige Minuten vorher gequert hatten, brach. Ein riesiges Schneebrett mit einer teilweise 3m hohen Anrisskante und einer Breite von etwa 300m ging etwa 150m über unserer Querungsspur ab. Einfach so, nicht während wir querten, sondern 2-3 Minuten danach. Das Einzugsgebiet dieses Hanges, der anscheinend eine gespannte Schneedecke fast bis zum Gipfel aufwies, war von unserer Einfahrtsposition nicht wirklich einzusehen. Auch zwei uns folgende Bergführer, die der Lawine nur durch großes Glück ausweichen konnten, wussten nicht so recht warum das passiert war. Selbst der Lawinenwarndienst Tirol, den wir nach unserer Tour kontaktiert hatten, schrieb uns in seiner Antwort nur: ‚interessant‘ (Link: lawine.at). Jedenfalls war uns der zweite geplante Aufstieg zum Wütenkarsattel gehörig vergangen. Zudem mussten wir noch einen Notruf absetzen, um einen unnötigen Bergwachteinsatz zu vermeiden. Verschüttet wurde ja glücklicherweise keiner. So kam es, dass wir den Nachmittag bei Schnaps und Apfelstrudel auf der Amberger Hütte verbrachten. Die Amberger Hütte ist übrigens eine sehr zu empfehlende Hütte mit einem überaus gastfreundlichen Wirt und einer genialen Schnapsauswahl (Tipp: Bauerntequila und Heuschnaps).
Wie es weiter geht lest ihr im zweiten Teil…HIER GEHT´S ZUM ZWEITEN TEIL