Nun stehe ich also hier, nach den ersten Kilometern auf einem Fatbike – gut, nicht irgendeinem, sondern dem nagelneuen Turner King Khan und denke mir: verdammte Fatbikes! Als die Dinger vor einiger Zeit das erste Mal zu sichten waren dachte ich an eine neue Marketingmasche der großen Bikehersteller um noch mehr Bikes verkaufen zu können. Diese riesigen Reifen – ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass diese Dinger überhaupt noch fahrbar sein sollten und was genau der Vorteil von unmoralisch dick aufgeplusterten Ballonreifen sein sollte. Noch dazu, sah dieses ungewohnte Bild von schmalen Rohren und dicken Reifen einfach unglaublich lächerlich aus. Es erinnerte mich ein wenig an das Ende der 90iger Jahre als mancher Hersteller die ersten großvolumigen Alurahmen nachbauen wollten, allerdings in Stahl – fette Optik bei 25 Kg Gewicht. Auch das sah komisch aus und war noch dazu funktioneller Irrsinn.
Diese Woche hatte ich allerdings die Möglichkeit das bisher einzige Turner King Khan in Europa zu testen – ein Vorserienmodell. Ich wollte einfach sicher gehen, dass ich mit meinem Hass auf diese Dinger vollkommen recht hatte. Nun ja, wie beschrieben, stand ich nun da, nach den ersten Kilometern mit diesem gelben Monster und dachte: verdammte Fatbikes!!! Nicht weil es so schlecht war, sondern ganz einfach deswegen, weil ich noch nie so einen unglaublich großen Unterschied zu einem normalen Bike erfahren durfte und sich das King Khan um Lichtjahre besser fuhr als erwartet. Ich muss also wohl meine gesamte Weltanschauung ändern! Verdammt!
Der erste Eindruck des Bikes ist tadellos – ein fein verarbeiteter Aluminium-Rahmen mit absoluten Top-Komponenten- XTR Scheibenbremsen, SRAM XX1 Schaltung und so weiter. Doch gleich beim Anheben kam der erste Schock – nur 14,5 Kilo sollte dieses Ding wiegen, trotz der gewaltigen Felgen und Reifen. Doch wie gesagt, es sollte mir ja noch mehr die Augen öffnen.
Schließlich gings mit einigigem Kumpels auf die nächtlichen Matschstrecken rund um Regensburg. Die größte Überraschung musste ich schon am ersten Berg verkraften. Dieses Gerät fährt sich so spielend bergauf und hat einen so großen Drang nach vorne, dass nicht nur meine Kumpels nicht mithalten konnten, sondern auch mein eingenes Enduro nicht an diese Performance heran kommt. Die Rolleigenschaften des mit Schwalbe Jumbo King besohlten Turners sind wirklich sehr gut und vor allem unerwartet gut. Anfangs bin ich die Reifen noch mit knapp 1,0 Bar gefahren, mit diesem Druck ist der Rollwiderstand so gering, dass man nur so dahin fliegt. Auf dem Trail bin ich dann wegen Grips des Reifen etwa auf 0,6 herunter gegangen.
Dann beginnt das Bike im normalen Tritt zwar etwas zu wippen, was aber nicht schlimmer ist als bei so manchem Enduro. Bei mehr Druck ist das Fahrwerk des Turners sogar nahezu wippfrei und besitzt wirklich eine unglaublich direkte Kraftübertragung.
Das liegt denke ich aber auch an der tollen Geometrie mit ziemlich steilem Sitzwinkel und an dem tollen Hinterbau, der aber perfekt zu dem Bike passt.
Das Fahrwerk bleibt mit der Rock Shox Bluto Gabel und dem FOX Float CTD sehr unaufgeregt, aber sehr gut abgestimmt. Wie gesagt, das Bike geht sehr gut nach vorne und schluckt trotz der 120mm so ziemlich alles weg, was einem in den Weg kommt. Einen Bunnyhop über den Bordstein? Pff, Unsinn mit so einem Gerät, man fährt einfach drüber und merkt nur eine leichte Welle. Tiefe, ausgewaschene Rinnen im Trail? Egal – einfach durch, man merkt es eh nicht. Der Feldweg zu schlammig? Dann ab ins nebenliegende Feld oder einfach direkt durch frischen Pulverschnee, die breiten 4 Zöller machen´s möglich.
Zu beachten ist bei der Dämpfereinstellung eigentlich nur, dass man eher etwas mehr Zugstufe fahren sollte als bei anderen Bikes um die Wippneigung bei wenig Luftdruck in den Reifen zu underdrücken.
Es kommt einem wirklich so vor, als wäre es egal was im Weg liegen würde. Wurzeln, Rinnen etc, die Reifen bauen wirklich einen wahnsinns Grip auf-meistens. Ich war sogar schon soweit, mein Enduro Bike in Frage zu stellen, da scheinbar mit dem Fatbike alles einfacher und leichter ging. Allerdings gibt es auch Nachteile, nur nicht so viele wie man eigentlich meinen könnte. Zu allererst ist die verbaute 11-Gang-Schaltung SRAM XX1 zwar wirklich genial zu fahren – man spart sich vorne den Umwerfer und somit das lästige schalten zwischen den Kettenblättern, wodurch die Schaltung präziser und knackiger wird also eine herkömmliche 2- oder 3-fach Gruppe. 11 Gänge reichen auch meistens aus – zumindest fast! Denn leider fehlt noch ein größeres Ritzel, da bei etwas steileren Rampen das Bike nur noch sehr mühsam hochzutreten ist – hier merkt man dann doch die größere rotierende Masse. Das schlimmste an dem Bike sind allerdings der Schwalbe Jumbo King. Ich fahre seit 18 Jahren Mountainbike und habe schon dutzende Reifen gefahren, aber ich habe wirklich noch nie so etwas hinterlistiges erlebt. Wäre er ein normaler 2,3er Reifen, wäre er wohl irgendwo zwischen Rocket Ron und Nobby Nic anzusiedeln, allerdings sind diese beiden Reifen sehr ausgewogen- im Gegensatz zum Jumbo. Denn der 4.0er ist dermaßen unausgewogen, dass ungeübte Biker nicht nur einmal Bodenproben nehmen werden. Grundätzlich fährt sich der Reifen sehr leicht und hat auch in den Kurven dank des riesigen Volumens einen tollen Halt, bis man zum Grenzbereich kommt. Dieser fällt so unglaublich klein aus, dass ich ihn fast als digital darstellen wollte, also 1 oder 0, sprich: er hält- er rutscht weg. Sobald man nämlich zu steil in einer Kurve liegt schmiert der Reifen so schnell ab, dass man nur noch schwer korrigieren kann. Allerdings liegt das wohl daran, dass Schwalbe hier bisher nur diese eine Version herausgebracht hat, sprich es fehlt einfach noch die Erfahrung. Nach einiger Recherche gibt es wohl inzwischen auch schon vielversprechendere Reifen und diese sollte man dann auch aufziehen, vor allem wenn es matschig wird.
Nichtsdestotrotz ist König Khan ein wahrer Herrscher über den Trail und wird noch so einige Lästermäuler eines Besseren belehren, wie eben auch mich. Es wird oft geschrieben, dass Fatbikes tolle Spaßbikes seien, die für jeden sinnvoll sind, der einfach nur Spaß haben will. Allerdings denke ich da schon weiter. Ich kann mir gut vorstellen, dass weiterentwickelte Versionen auch bei Enduro-Rennen oder teilweise auch bei Marathons bei nassen Bedingungen oder Alpenüberquerungen auftauchen werden. Außerdem bin ich auch gespannt wieviele bei dem Glacier-Race in Saas Fee dabei sein werden, welches wir im März bestreiten werden. Denn für die weichen Pisten scheint mir dieses Gerät sehr ideal. Die Firmen stehen erst am Anfang der Entwicklung, also kommt hier noch einiges auf uns zu…aber kaufen kann man schon jetzt 🙂
Michael Biederer
Ausstattung des Bikes:
fork | RockShox Bluto Solo Air RL Black, 15qr, 120mm |
shock | FOX Float CTD Evolution, 7.5×2 |
brakes | Shimano XTR, 160/160mm |
wheelset | Silver Turnagain FR80 Rims/ Black Hope Hubs, 32h 15qr |
tires | Schwalbe Jumbo Jim [ 4.0/4.0 ] |
tubes | Stan’s tubeless |
headset | Cane Creek 40 |
handlebar | Thomson Trail Carbon, 750mm x 12mm |
stem | Thomson X4, 70mm |
seatpost | Thomson Elite |
saddle | WTB Rocket V |
grips | ODI |
Sehr schön geschrieben, auch wenn der Eintrag schon etwas älter ist.
Anfangs dachte ich, dass es ein negativer Bericht über Fatbikes wird, aber anscheinend hast Du das ein oder andere Positive dem Fatbike zusprechen können.
Was sagst Du zur Zukunft der Fatbikes? Lohnt es sich noch eines zu kaufen oder sollte man eher auf die Zwischenstufe 27.5+ umsteigen?
Hallo Ralph,
danke, das freut natürlich.
Also ich persönlich denke dass sich das Thema breite Reifen einpendeln wird, zwischen 2,6 und 3,0 Zoll. Hier liegt auch irgendwo die Wahrheit für den normalen Gebrauch, wenn du nicht gerade bei 40cm Pulverschnee Biken gehen willst. Nur in diesem Fall würde ich ein echtes Fatbike mit über 4 Zoll breiten Reifen empfehlen. Das Thema ist ähnlich wie 26 und 29 Zoll. Hier wurde nach einigem hin und her auch 27,5 Zoll als sinnvollere Variante gewählt, auch wenn natürlich für spezielle Einsätze 29Zoll Bikes auch sinnvoll sein können. Ich hoffe ich konnte ein wenig helfen.
Grüße
Michael